WEF-Schwab wird 85: Zukunft des Weltwirtschaftsforums ungewiss

Von Kornelia Kirchweger
18. Januar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Klaus Schwab wird heuer 85 Jahre alt. Bisher vermied er tunlichst eine Nachfolgediskussion für das Weltwirtschaftsforum. Er hält die Zügel weiterhin fest in der Hand. Intern rumort es: Das WEF sei erlahmt und müsse seine Rolle neu definieren.

Klaus Schwab, Gründer und Führer des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos, wird im März 85 Jahre alt. Grund genug, um über seine Nachfolge zu spekulieren. „Politico“ hat darüber mit WEF-Insidern gesprochen. Demnach hält Schwab die Zügel straff in der Hand, bringt wankelmütig Kandidaten ins Spiel und hat einen „Gottkomplex“. Denn er möchte den Job wohl bis zu seinem Tod machen. Wegen der ungeregelten Nachfolge wird sogar der Zerfall des WEF befürchtet. Und wegen der langen Schwab-Regentschaft ist das WEF zur „lahmen Ente“ geworden. Die Rolle des WEF müsste längst neu diskutiert werden, sagen Kritiker.

Immer im Rampenlicht

Schwab machte das WEF im Jahr 1971 mit einem Startkapital von 6.000 US-Dollar zu einem Geschäftsmodell von mittlerweile 390 Millionen pro Jahr. Auch jetzt, im Januar, zieht das WEF-Jahrestreffen mehr Milliardäre und CEOs an als jede andere vergleichbare Veranstaltung. Natürlich kommen sie nicht allein wegen Schwab. Und nicht jeder liebt oder respektiert den WEF-Führer. Für manche ist er nur ein Meister der schönen Worte, der sich im Rampenlicht bedeutender Führer sonnt. Er selbst behauptete einmal, in den Kabinetten der wichtigsten Regierungen in der Welt sitzen seine Leute. Das sind Absolventen seines "Young Global Leaders"-Programms, einer elitären Gruppe von unter 40-Jährigen, die jedes Jahr in den Orbit des WEF aufgenommen werden. So u.a. die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern, Meta-CEO Mark Zuckerberg, Kanadas Premier Justin Trudeau oder Frankreichs Premier Emmanuel Macron.

WEF wurde „lahme Ente“

Zum Thema „Schwab-Nachfolge“ schweigen WEF-Insider lieber aus Angst vor Sanktionen. „Politico“ brachte dennoch Interessantes in Erfahrung. Etwa Kritik seitens der früheren niederländischen EU-Parlamentarierin und Absolventin des WEF-"Young Global Leaders"-Programms, Marietje Schaake: Sie glaubt, wegen Schwabs langer Amtszeit und des fehlenden Übergabeplans habe das Forum wichtige Grundsatzfragen vermieden. Etwa, ob all die hochtrabenden WEF-Aussagen auch wirklich zu sinnvollen Veränderungen führen. In jedem Fall würde Schwabs Abgang „einen Impuls schaffen, die Rolle und Identität des WEF zu überdenken“, sagte Schaake. Ein langjähriger WEF-Mitarbeiter glaubt, Schwab könne versuchen, den Prozess von jenseits des Grabes zu kontrollieren: „Klaus hat sein Testament seit Jahrzehnten mehrmals im Jahr geändert, daher ist es einfach unmöglich zu wissen, was er am Ende entscheiden wird.“    

Wankelmütiges Taktieren

Es gebe ehemalige Staatsoberhäupter, die dachten, sie seien vor 20 Jahren im Rennen gewesen. Aber entweder hatten sie es satt, auf ein Angebot zu warten, oder Schwab hatte sie satt. Auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, war schon im Gespräch. Sie ist auch WEF-Treuhänderin. 2015 meinte Schwab salopp: Sie könnte „bei Bedarf einspringen“. Auf der Nachfolgeliste standen auch kurze Zeit zwei langjährige Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes. Die Hoffnungen, Tochter Nicole könnte übernehmen, zerschlugen sich. Sie war zwar Gründungsdirektorin des "Young Global Leaders"-Programms und ist WEF-Treuhänderin. Jetzt arbeitet sie für NGOs, die sich mit Wiederaufforstung und dem Wohlergehen und der Stärkung der Frauen befassen, darunter 1t.org, eine Plattform „für die Eine-Billion-Baum-Community“. Sohn Olivier ist hauptberuflich beim WEF, und zwar als Chef der Technologiesparte und Mitglied des 10-köpfigen WEF-Vorstands. Zuvor leitete er die China-Operationen des WEF. Für seinen Vater ist er jedoch kein Favorit. 2020 sagte der Senior gegenüber CNBC: „Er könnte seinen eigenen Weg gehen, wenn er wollte.“ Schwab-Nachfolge-Spitzenkandidat außerhalb der Familie war der 41-jährige Philipp Rösler mit vietnamesischen Wurzeln. Unter Angela Merkel war er Gesundheits- und Wirtschaftsminister und Deutschlands jüngster Vizekanzler und hatte damit den perfekt zum WEF passenden Stammbaum. Rösler schied allerdings nach drei Jahren im WEF-Vorstand aus. Laut Mitarbeitern, „weil er kein guter Manager war“. 

Schwierige Kandidatensuche

Als mögliche Übergangsfigur der „Post-Schwab-Ära“ gilt Borge Brende, früherer norwegischer Außenministerin. Er sei jung genug, innerhalb der Organisation weithin akzeptiert und habe mit Schwab eine außergewöhnlich solide Arbeitsbeziehung entwickelt, sagen Insider. Brende war drei Mal im Forum tätig. Bevor er 2017 das Amt des WEF-Präsidenten übernahm, war er 2008 WEF-Geschäftsführer und kehrte 2011 erneut für zwei Jahre zum WEF zurück, bevor er als Außenminister nach Oslo ging. Ein weiterer Anwärter ist WEF-Geschäftsführer Jeremy Jurgens, Leiter des „Zentrums für die Vierte Industrielle Revolution“, einem Lieblingsprojekt von Schwab. Jurgens beaufsichtigt auch die asiatischen Aktivitäten des WEF und alle Branchen- und Technologieinitiativen.

Gründer bestimmt Nachfolger

Yann Zopf, Medienchef und Mitglied des Exekutivkomitees des WEF, ist optimistisch: Das Forum verfüge über eine starke institutionelle Führungsstruktur. Damit sei sichergestellt, dass es seine Mission erfüllen könne. Laut Zopf entscheidet das 36-köpfige WEF-Kuratorium über zukünftige Ernennungen von institutionellen Führungskräften. Keine Antwort gab er auf die Frage von „Politico“ zu Artikel 11 der WEF-Statuten. Darin heißt es: Der Gründer bestimmt seinen Nachfolger. Auch Schwab verweigerte dazu ein Interview.


Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei Austria Presse Agentur, Bundespressedienst, BBC, Asahi Shimbun. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim Wochenblick. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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