Deutschland braucht noch lange Putin-Gas: Preise bleiben hoch

Von Kornelia Kirchweger
26. Januar 2023
Lesezeit: 2 Min.

Deutschland ist noch Jahre davon entfernt, russische Pipeline-Gasimporte durch verflüssigtes Erdgas zu ersetzen. Denn in den nächsten drei bis vier Jahren werde die Welt-Kapazität zur Flüssiggas-Produktion (LNG) nicht ausreichen, um die steigende Nachfrage abzudecken, sagte Christian Leye, deutscher Abgeordneter der Fraktion „Die Linke“, gegenüber Bloomberg. 

Deutschland rede nicht offen darüber. Aber seine Strategie sei es, weiterhin verrückte Preise zu zahlen. Russisches Flüssiggas landet über die Weltmärkte übrigens weiter in Deutschland. LNG unterliegt nicht den EU-Sanktionen. 

Nur Sparen hilft

Bisher konnte Deutschland seine Abhängigkeit von Russland nur durch Einsparungen im Gesamtverbrauch verringern. Zudem wurde Flüssiggas über die europäischen Nachbarländer importiert und die Pipeline-Lieferungen aus Norwegen und den Niederlanden erhöht. Doch auch da spießt es sich wieder: Ein Teil dieser Versorgung ist ungewiss, denn im kommenden Jahr soll das Groningen-Gasfeld in den Niederlanden geschlossen werden. Auf Anfrage von Bloomberg sagte der deutsche Kanzler Olaf Scholz vergangene Woche, man habe die Lektion aus der zu großen Abhängigkeit von Russland gelernt. Ziel sei es nun, Kapazitäten aufzubauen. 

Strategie-Notstand

Deutschland solle dann so viel Gas wie vor der russischen Sonderoperation haben und von Russland-Importen unabhängig sein. Das werde allerdings bis 2026 dauern. Erst dann wird die Kapazität für 56 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas-Importe installiert sein. Das entspricht etwa der aus Russland importierten Menge von 2021. Bis 2030 werden diese Kapazitäten bei 76,5 Milliarden Kubikmetern oder etwa 80 % des gesamten deutschen Gasverbrauchs im Jahr 2021 liegen, heißt es. Auch hier hakt es: Denn es könnte einen Engpass bei LNG-Schiffen geben, die auf Jahre hinaus ausgebucht sind. Diese Daten gehen aus einer Beantwortung der deutschen Regierung auf Fragen von Abgeordneten der Fraktion „Der Linken“ hervor.  

Russisches Roulette

Aufhänger der Anfrage war die grenzwertige Aussage des grünen Umweltministers Robert Habeck: Deutschland habe die Chance, auch ohne russische Gaslieferungen durch den Winter zu kommen, aber nur wenn viel Energie eingespart werde und das Wetter passe. Russisches Roulette also. Die Abgeordneten wollten Genaueres über die Gasversorgungslücken wissen. Dazu heißt es in der Beantwortung u.a.: In Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin werden neue Kapazitäten für LNG-Importe geschaffen. Für ca. 13 Milliarden Kubikmeter zur Regasifizierung.

Preise drosseln Nachfrage

Die Industrie müsse einen Beitrag durch „fuel-switch“ („Treibstoffwechsel“) leisten. Die Gasverstromung werde reduziert, die Gasspeicher gut gefüllt und es gebe verpflichtende Einsparungen für Unternehmen, Private und Gemeinden. Das habe den Erdgasverbrauch in Oktober und November 2022 schon um 32 Prozent bzw. 27 Prozent im Vergleich zu 2018 bis 2021 gesenkt. 2021 hat Deutschland 96 Mrd. Kubikmeter Gas verbraucht. Deutlich über ein Drittel entfiel auf die Industrie, ein Drittel auf private Haushalte, fast 20 Prozent auf die Energiewirtschaft und der Rest auf Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Für 2023/24 erwartet man – wegen der hohen Energiepreise – einen geringeren Gasverbrauch. Ziel wäre 20 Prozent weniger. 

Putins Flüssiggas willkommen

Deutlich gemacht wird auch, dass die Regierung keine Ahnung hat, mit welchem Land und Partner es Gas-Lieferverträge gibt. Die Regierung schließt solche Verträge nicht ab, das machen Konzerne oder Händler. Man habe daher weder Daten noch Schätzungen. Auf welcher Grundlage die Regierung ihre Strategien zur leistbaren Energieversorgung erstellt, steht in den Sternen. Die Regierung ist sich auch bewusst, dass LNG über die Weltmärkte gekauft werde und damit auch russisches Flüssiggas in Deutschland lande. LNG falle aber nicht unter die EU-Sanktionen.

Ab jetzt US-Abhängigkeit

Die Regierung lässt auch wissen, dass die Preise für Erdgas mittelfristig sinken, aber nicht auf das Niveau vom Jahresanfang 2021. Interessant ist auch die Feststellung, dass es keine gesetzlich verankerte Definition oder quantifizierbare Schwelle zur Gasabhängigkeit von einem Lieferanten gibt. Abhängigkeit bestehe von jedem Lieferanten. Die Abhängigkeit von Russland, in Höhe von 50 Prozent, sei aber nicht mehr adäquat. Wer das vorgibt, sagt sie nicht. Die Empfehlung dürfte aber von der US-Regierung stammen, die jetzt einen dankbaren Abnehmer für ihr Flüssiggas hat.

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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