Was im Nahostkonflikt zwischen der palästinensischen Hamas und den Israelis heute fehlt, ist ein engagierter und glaubhafter Vermittler à la Bruno Kreisky, der für beide Seiten Gutes will.
Auch wenn es schon länger her ist: Als ausgebildeter österreichischer Jagdkommandosoldat weiß ich, dass einem Kleinkrieg, wie ihn die Hamas derzeit gegen Israel führt, mit einer großen Bodenoffensive nicht beizukommen ist.
Der Konflikt ist militärisch nicht zu lösen
Aus diesem Grund werden die Israelis – meiner Einschätzung nach – auch von ihren Plänen, einem großflächigen Bodenkrieg führen zu wollen, abrücken müssen – so viel zum Militärischen.
Politisch ist der Nahost-Konflikt schon sehr viel komplizierter, weil auch dieser Streit mindestens zwei Seiten hat und dieser auch die EU-Staaten zunehmend polarisiert.
Enorme zivile Verluste in Gaza
Zu dieser Polarisierung trugen nicht zuletzt die großen Opferzahlen unter der palästinensischen Zivilbevölkerung bei, die nach drei Wochen israelischer Luftangriffe mehrere Tausend betragen – darunter viele Kinder. Deshalb geraten die Israelis zunehmend unter Druck, auch wenn sie noch so oft berechtigt auf den hohen Blutzoll verweisen, den die Hamas unter der jüdischen Bevölkerung verursacht hat.
Nehammer auch auf internationalem Parkett eine Lachnummer
Aber was tun? Die Bekundungen von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), treu und fest an der Seite Israels zu stehen, sind noch keine Nahost-Politik. Die Schuhe seines legendären Vorgängers Bruno Kreiskys (SPÖ) sind ihm leider zu groß.
Kreisky hatte nämlich schon beizeiten erkannt, dass Beziehungen zu den nordafrikanischen Ländern wie auch zu denen des Nahen Ostens wichtig sind. Die Einbeziehung der damaligen Vertreterorganisation der Palästinenser, der PLO, war ihm daher unverzichtbar für die Lösung des Nahostkonflikts. Kreisky setzte auf Dialog und redete auch mit PLO-Führer Yassir Arafat, auch wenn die Gespräche mit dem Mann nicht immer einfach waren.
Mit Karl Nehammer wollte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas aber nicht einmal telefonieren. Als Konfliktvermittler scheint Österreich von den Palästinensern nicht mehr ernst genommen zu werden.
Früher war Österreich ein ernst zu nehmender Vermittler
Das war vor etwa 50 Jahren noch anders. Die Ratschläge von Kreisky hat sich Arafat sehr wohl angehört, und auch die Israelis haben zumindest hingehört, wenn ihnen Kreisky empfohlen hat, mit den Palästinensern zu sprechen.
Damit machte er sich in Israel aber keine Freunde, obwohl er das Existenzrecht des jüdischen Staates immer betont hatte. Bereits Jahre davor war die damalige israelische Außenministerin Golda Meir schlecht auf Kreisky zu sprechen gewesen, weil er in einem Wasserkonflikt zwischen ihrem Land und der Arabischen Liga zu vermitteln versuchte. Die Arabische Liga hatte nämlich beschossen, mit einer Sperre des Jordans den Israelis das Wasser in der Negev-Wüste zu entziehen.
Bruno Kreisky: Sozialdemokrat und jüdischer Humanist
Meir ärgerte sich weniger über die Vermittlungsbemühung Kreiskys als vielmehr über die Tatsache, dass – wie sie betonte – „ausgerechnet ein österreichischer Außenminister jüdischer Herkunft nach Ägypten“ reisen musste, um eine Lösung herbeizuführen.
Die Schelte Meirs hielt Kreisky aber nicht davon ab, weiterhin Kontakte mit den arabischen Staaten zu pflegen und sich auch weiterhin für ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Arabern, darunter auch den Palästinensern, einzusetzen. Die Bemühungen des damaligen österreichischen Außenministers führten schließlich zur Anerkennung der PLO und eines palästinensischen Staates.
Österreichs Neutralität wäre für ganz Europa wünschenswert
Österreich wurde im Kalten Krieg für seine Neutralität beneidet und für seine Vermittlerrolle geschätzt. Und genau daran sollten wir wieder anknüpfen: Denn nur so können wir eine eigene Rolle spielen und unsere Unabhängigkeit wahren, wenn wir nicht bei Konflikten reflexartig Partei ergreifen. Das Erbe des großen Humanisten Bruno Kreisky sollte aber nicht nur in Österreich dieser Tage wieder in Erinnerung gerufen werden: Ganz Europa sollte sich daran ein Beispiel nehmen und seine Position finden, die nur eine unabhängige europäische sein kann. Die nicht von anderen, fremden Interessen bestimmt sein darf, sondern die eigenen zuallererst im Blick haben muss: Das gilt sowohl für den Stellvertreterkrieg in der Ukraine als auch für den Nahost-Konflikt.