Immer mehr Länder wenden sich angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen explizit von Israel ab und ignorieren die Deutungshoheit der USA in diesem Konflikt. Es rumort im „globalen Süden“, der Türkei, im Nahen Osten, in China und immer offener auch innerhalb der UNO. Der allgemeine Tenor lautet: Israel begehe Kriegsverbrechen, verstoße gegen die Menschenrechte und begehe Völkermord.
Die USA, als Schutzmacht Israels ließ über Außenminister Anthony Blinken umgehend wissen: Solange die USA existieren, werde sich Israel nie allein verteidigen müssen. Niemand solle versuchen, die Situation auszunutzen. Die USA stehen hinter Israel. Auch Europa, sprich die EU. Sie hat keine andere Wahl, denn Washington gibt Brüssel den Takt vor.
Tiefschlag für USA: Rund zwei Drittel der UN-Mitglieder stimmen gegen Israel
Global gilt das allerdings nicht mehr. Ganz deutlich wurde das bei einer jüngst von Jordanien eingebrachten UNO-Resolution zum Krieg im Nahen Osten. Die Abstimmung war ein Tiefschlag für die Deutungshoheit der USA in diesem Konflikt. Von den 193 Mitgliedern wichen 121 Länder von der US-Linie ab. Österreich nicht, was wenig überrascht. Die UNO selbst ist in diesem Konflikt sichtlich überfordert. Dem Druck arabischer Länder entkam auch UNO-Chef Antonio Guterres nicht. Er stellte fest: Der jetzige Konflikt zwischen Israel und der Hamas sei nicht im Vakuum entstanden. Israels UNO-Botschafter forderte wütend seinen Rücktritt. Statt Guterres ging dann ein anderer: Der Direktor des UNO-Menschenrechtsbüros in New York, Craig Mokhiber. Er legte wegen der Unfähigkeit der UNO in diesem Konflikt aus Protest sein Amt zurück. In seinem Rücktrittsbrief wirft er Israel auch noch Völkermord vor.
Atombombe auf Gaza: Wo bleibt hier die Empörung des „Werte-Westens“?
Ginge es nach dem israelischen Minister für Kulturerbe, Amichai Eliyahu, wäre die Lösung für Gaza ohnehin ganz einfach. Sie lautet „Atombombe“. Denn die Zivilbevölkerung dort sei nicht „unbeteiligt“, sie unterstütze die Hamas. Er ist auch gegen humanitäre Hilfe. Netanyahu suspendierte ihn dafür - vorübergehend. Dass solche Aussagen die Sympathie für Israel in der arabischen Welt nicht gerade fördern, liegt auf der Hand. Massen von arabisch-stämmigen Migranten – größtenteils eingebürgert oder bereits hier geboren – marschieren in Europa auf und bekunden ihre Solidarität mit den Palästinensern. Es sind wandelnde Zeitbomben, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Länder darstellen. Ein Funke genügt und der Nahost-Konflikt schwappt auf Europa über. Zu spät erkennt man hier, was spätestens seit 2015 schiefgelaufen ist.
Tunesien: Kontakte zu Israel sollen per Gesetz als Hochverrat verfolgt werden
Die Abwendung von Israel erfolgt nun im Domino-Effekt. Dass die Hamas vor einem Monat den ersten Schlag gegen Israel führte, ist unbestritten. Eine isolierte Bekämpfung der Hamas in Gaza ist aber unmöglich. Das weiß auch Israel. Auf dem schmalen Landstreifen am östlichen Mittelmeer spielt sich mittlerweile eine humanitäre Katastrophe ab. Der gutmenschliche Werte-Westen kommentiert das mit scheinheiligen Floskeln. Andere Länder setzen Taten. Besonders krass reagierte jetzt Tunesien: Dort wird ein Gesetzesentwurf behandelt, wonach direkte und indirekte Verbindungen nach Israel künftig als „Hochverrat“ geahndet werden. Bei Verstoß drohen Haftstrafen von sechs bis zwölf Jahren, im Wiederholungsfall lebenslang.
Domino-Effekt in Südamerika: Tel Aviv ist so isoliert wie noch nie zuvor
Der Algerische Fußballverband lässt aus „Solidarität mit dem palästinensischen Volk“ den Spielbetrieb bis auf Weiteres ruhen. Südafrika fordert eine Untersuchung Israels wegen Völkermord. Die Tötung von Kindern im Gazastreifen sei rechtswidrig, Israel begehe Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
In Südamerika verurteilen selbst frühere enge Verbündete, wie Kolumbien, das Vorgehen Israels in Gaza und brechen die Beziehungen ab. Bolivien und Chile holten ihre Botschafter aus Tel Aviv zurück. Sie werfen Netanyahu Kriegsverbrechen und Verstöße gegen die Menschenrechte vor. Kritik kam auch aus Argentinien und Brasilien. Auch die Türkei schaltet jetzt auf stur: Netanyahu sei nicht mehr jemand, mit dem man sprechen könne, sagt der Regierungschef. Der Botschafter wurde abberufen.
China: Will die Supermacht auch im Nahen Osten mehr als nur Vermittler sein?
China verurteilte die Hamas nicht und taktiert. Die Beziehungen China-Palästina sind traditionell gut. Peking unterstützt die Forderung nach einem bedingungslosen Rückzug Israels aus den palästinensischen Gebieten und die Gründung eines unabhängigen Staates Palästina. Es kritisierte mehrmals die illegale Siedlungspolitik Israels in den besetzen Gebieten. Bei einem Treffen zwischen Staatschef Xi Jinping und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas im vergangenen Juni bot sich Peking als Vermittler im Israel-Konflikt an. Auch US-Außenminister Anthony Blinken traf sich kürzlich mit Abbas. Er deutete an, die Palästinensische Autonomiebehörde könnte eine Rolle für die Zukunft Gazas spielen, wenn die Hamas „eliminiert wird“. Abbas ist – seit 2009 – nicht vom Volk gewählter Chef der Autonomiebehörde. Er fiel wiederholt durch antisemitische Äußerungen auf, zuletzt in einer Sitzung der Fatah im letzten August. Blinken, der selbst jüdische Wurzeln hat, sieht ganz offenbar darüber hinweg. Immerhin droht Konkurrenz von China und die Rolle der USA als Global Player steht auf dem Spiel.