Heilloses Chaos und massenweise Einsprüche bei deutschen Finanzämtern

Von AUF1-Redaktion
15. Februar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Die Grundsteuerreform in Deutschland wird zunehmend zum Alptraum ohne Erwachen – und zwar nicht nur für die Bürger, die sich durch die absurd komplizierten Formulare kämpfen sollen, sondern auch für die Beamten, die diese anschließend bearbeiten müssen. Zu dieser bürokratischen Orgie kommen nun auch noch Hunderttausende von Einsprüchen hinzu, die auf die Finanzämter zurollen.

Einer Umfrage der „Stiftung Finanztip“ zufolge erklärten 13 der 16 Bundesländer, dass bis Anfang Februar über 350.000 Einsprüche eingegangen seien. Bis dahin waren erst rund 9 der 36 Millionen Grundsteuererklärungen bearbeitet. In der Finanzverwaltung heiße es schon jetzt „Land unter”. Auf Grundlage der bisherigen Zahlen ist mit insgesamt mindestens 1,5 Millionen Einsprüchen zu rechnen. Dies werde die Ämter an ihre Grenzen bringen, warnen Steuerexperten.

Bemessungs-Grundlage nicht transparent

Anlass für die Einsprüche sind in der Regel die willkürlichen und intransparenten Richtwerte, die als Bemessungsgrundlage der neuen Grundsteuer dienen. Diese unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland – und dementsprechend variiert auch der Anteil der Einsprüche: In Schleswig-Holstein liegt dieser bislang bei 1,3 Prozent, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bei zehn Prozent.

Außerdem fehlte bis Ende Januar noch jede vierte Erklärung. Die Abgabefrist hätte eigentlich bereits Ende Oktober ablaufen sollen, wurde dann aber verlängert. Die bayerische Landesregierung erlaubt mittlerweile sogar die Abgabe bis 30. April.

Sogar Bremer Senat in Verzug

In Bremen kann der Senat seine eigene Abgabefrist für landeseigene Immobilien nicht einhalten, weil noch für jede dritte Liegenschaft des Landes eine Erklärung fehlt. Absurderweise weigert sich die Landesregierung dennoch, eine Fristverlängerung einzuräumen. Kritiker und Juristen nennen dies zu Recht arrogant und vermessen: Wenn selbst der Senat die Frist zur Abgabe der Steuererklärung nicht einhalten könne, müsse sie auch für die Bürger verlängert werden.

Selbst Steuerberater überfordert

Hauptgrund für das Zögern bei der Abgabe der Erklärungen ist, dass die Formulare aberwitzig kompliziert sind. Sogar viele Steuerberater haben inzwischen kapituliert. Hinzu kommt eine geänderte Berechnungsgrundlage: Zur Festsetzung der Steuer wird von den Finanzämtern ab 2025 nicht mehr wie bisher der Einheitswert, sondern der Grundsteuerwert ermittelt. Dieser beruht auf dem Bodenrichtwert und einer statistisch errechneten Netto-Kaltmiete. Wer hier kein Steuerexperte oder Immobilien-Fachmann ist, für den werden solche komplizierten Details zwangsläufig zum undurchdringlichen Dickicht.

Verfassungsrechtler empfiehlt Einspruch

Inzwischen empfehlen Experten wie der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof, in allen Bundesländern außer Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen Einspruch einzulegen, weil die Berechnungsmodelle ungerecht seien. Dies gelte vor allem für Baden-Württemberg, wo die Eigentümer großer Grundstücke weit mehr als bisher zahlen müssten, selbst wenn nur ein kleines Häuschen darauf steht. Der „Bund der Steuerzahler“ und andere Verbände haben bereits eine Musterklage beim Finanzgericht von Baden-Württemberg eingereicht.

Auch vor dem Bundesgerichtshof wollen die Verbände eine solche Klage einreichen. Dabei wird vor allem das in den meisten Bundesländern geltende Grundsteuergesetz des Bundes als verfassungswidrig angesehen, weil es beispielsweise Mieter bevorzugt, die in Genossenschaften leben. Die Festsetzung der Bodenrichtwerte sei ebenfalls willkürlich und nicht überprüfbar, kritisieren die Kläger. Die Grundsteuerreform bewirkt also nichts als eine Lawine aus Bürokratie und juristischen Auseinandersetzungen – und stellt eine einzige Verschlimmerung der Situation dar.

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