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Hilferuf

Familie verzweifelt: Warum unternimmt Regierung nichts, um Österreicher aus Taliban-Haft freizubekommen?

Von Kurt Guggenbichler
20. November 2023
Lesezeit: 3 Min.

„Die Situation ist dramatisch! Bitte helfen Sie meinem Vater, solange es noch nicht zu spät ist!“ Mit diesem eindringlichen Appell wenden sich jetzt die beiden Töchter des 84jährigen Wiener Publizisten Dr. Herbert Fritz an die Bundesregierung und den österreichischen Außenminister, welche sie nachdrücklich bitten, wirklich alles zu versuchen, um ihren Vater aus der Taliban-Haft in Afghanistan freizubekommen. Herbert Fritz war auch Interviewpartner von AUF1.

Während eines Besuchs in Kabul wurde Dr. Fritz vor nun schon fast sechs Monaten – vermutlich am 19. Mai – auf offener Straße gekidnappt und in ein Gefängnis des Geheimdienstes verschleppt, wo er seitdem widerrechtlich und willkürlich eingesperrt ist. Worüber unlängst Dr. Johannes Hübner im AUF1-Interview berichtete, der in Afghanistan war und dabei versuchte, sich für Herbert Fritz einzusetzen.

Gesundheit und Leben des 84jährigen ist ernsthaft bedroht

Es gibt nämlich nichts, womit er gegen ein afghanisches Gesetz verstoßen hätte. „Daher gibt es auch keine Anklage, keinen Prozess, einfach nix“, erläutert Sigrid, die jüngere Tochter des Verschleppten. Seine Gesundheit sei jedoch höchst gefährdet. „Denn seit seinem Lungen-Infarkt muss mein Vater Tabletten zur Blutverdünnung einnehmen, die sie ihm aber nicht geben“, sagt Sigrid. „Dabei haben wir ihm dieses Medikament, wie auch noch andere Arzneien, über einen Kontakt des Außenministeriums zukommen lassen.“

Schallenbergs Außenministerium unternimmt nicht wirklich etwas

Dieses könne jedoch nicht direkt mit Kabul in Kontakt treten, sondern nur über Umwege agieren, heißt es. Trotzdem erwartet sich die Familie, dass das Außenministerium, das sich bisher auf konsularische Intervention beschränkt hat, endlich aktiver wird und direkt Verhandlungen mit den Taliban sucht, indem es beispielsweise einen Sonderbeauftragen nach Afghanistan entsendet.

„Ich erwarte mir, dass die österreichische Regierung etwas unternimmt“, betont Gudrun, die ältere Tochter von Dr. Herbert Fritz: „Schließlich geht es um einen österreichischen Staatsbürger und um ein Menschenleben.“

Mitgefangener Engländer kam nach Intervention wieder frei

Der Engländer Kevin Cornwell, der mit Dr. Fritz eine Zeit lang dieselbe Zelle im Kabuler Geheimdienstgefängnis teilte, ist seit etwa vier Wochen wieder frei, weil die britische Regierung dementsprechend Druck gemacht hat. Von Cornwell wissen die beiden Fritz-Töchter auch, dass ihr Vater die von der österreichischen Regierung auf den Weg gebrachten Medikamente von den Taliban nicht bekommen hat. Sigrid und Gudrun haben keinen Kontakt mit dem Vater, desgleichen auch Herberts Bruder Werner.

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Appellieren an die Regierung: Sigrid, Werner und Gudrun (v.l.) mit einem Bild ihres Vaters und Bruders Dr. Herbert Fritz. Foto: Guggenbichler

Letztes Lebenszeichen am 24. September

Die Familie konnte nur ein einziges Mal mit dem Gefangenen telefonieren und das war am 24. September. Seitdem haben sie nichts mehr von ihm gehört, mit Ausnahme dessen, was ihnen Kevin Cornwell erzählte. Am Tag des Telefonats sei ihrem Vater von afghanischen Beamten eine baldige Freilassung in Aussicht gestellt worden, hörten die Töchter, was bis jetzt aber leider nicht erfolgt sei.

Zwischenzeitlich hatte die Familie des Festgehaltenen auch Hilfe bei der Österreich-Afghanistan-Gesellschaft gesucht, sich dort aber eine Abfuhr geholt, weil man sich in „politische Angelegenheiten“ nicht einmischen wolle, wie es hieß.

Wurde Dr. Fritz Foto bei einer Veranstaltung zum Verhängnis?

Dabei fragen sich die Töchter, was für einen politischen Grund es für das Kidnapping ihres Vaters geben könnte? Eine Vermutung haben Gudrun und Sigrid allerdings schon: Dr. Herbert Fritz ist bekanntlich Kurdistan-Experte und ein ausgezeichneter Kenner der Islamischen Welt, der bereits in den 1980iger Jahren Afghanistan bereiste und dabei u.a. den späteren Staatspräsidenten Burhānuddin Rabbāni traf (Beitragsbild). Im April besuchte er das Intra-Afghanistan-Treffen im „Bruno-Kreisky-Forum“. Bei dieser Gelegenheit entstand auch ein Foto mit dem afghanischen Oppositionsführer Ahmad Schah Massous, das auch bei der Einreise von Dr. Fritz in Kabul in seinem Mobiltelefon gespeichert war.

„Obwohl dies kein Verbrechen ist, könnte ihm dies zum Verhängnis geworden sein“, glaubt Sigrid. Dies sei allerdings kein Grund, ihn in Afghanistan seinem Schicksal zu überlassen.

Man sollte annehmen, dass diese Regierung wie auch der Bundespräsident, die ihre Menschenfreundlichkeit immer wieder betonen, alles unternehmen, um Dr. Herbert Fritz aus der Taliban-Haft frei zu bekommen, sinnieren die Töchter und verweisen auf ihren Onkel, Herberts Bruder Werner, der sich deswegen schon vor zwei Monaten mit einem Brief an Bundespräsident Alexander Van der Bellen gewandt hat – die Antwort lässt bis heute auf sich warten.

Mit einer Mahnwache am Wiener Ballhausplatz wird die Familie von Dr. Herbert Fritz am Donnerstag, den 23. November 2023, zwischen 15 und 17 Uhr auf das Schicksal des Taliban-Gefangenen aufmerksam machen, wozu alle, die sich für seine Freiheit einsetzen, eingeladen sind, mitzumachen. Vielleicht bekommt es der dort gegenüber in der Hofburg residierende Bundespräsident ja auch mit...

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

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