Ex-EU-Kommissionschef Juncker: Ukraine durch und durch korrupt

Von Kornelia Kirchweger
16. Oktober 2023
Lesezeit: 2 Min.

Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erteilte dem Wunsch der Ukraine nach einem EU-Beitritt und dem Brüsseler Wohlwollen dafür eine unverblümte Absage: Jeder, der einmal mit der Ukraine zu tun gehabt habe wisse, dass dieses Land auf allen Ebenen der Gesellschaft korrupt sei, sagte er in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen

„Wir haben mit einigen sogenannten neuen Mitgliedern schlechte Erfahrungen gemacht, was etwa die Rechtsstaatlichkeit angeht, sagte er. Das solle man nicht wiederholen, sagte Juncker wohl in Anspielung in Richtung „aufmüpfiger“ Staaten wie Ungarn oder Polen. Man könnte aber einen teilweisen oder „intelligenten Fast-Beitritt“ ins Auge fassen.  

Europäische Werte

Juncker, der von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident war, kritisierte im Interview auch das Prinzip der Einstimmigkeit in der Außenpolitik der EU. Die müsse mit qualifizierter Mehrheit erfolgen. Auch hier spielte Juncker auf mögliche Blockaden seitens Ungarn, Polen oder anderer EU-Staaten an. Im Hinblick auf einen EU-Beitritt der Ukraine warnte er davor, den Ukrainern, die bis zum Hals im Leid stecken, falsche Versprechungen zu machen. Er sei erbost über manche Stimmen in Europa, die den Ukrainern vorgaukeln, sie könnten sofort Mitglied werden. Trotz seiner Anstrengungen sei die Ukraine nicht beitrittsfähig. Es brauche massive interne Reformprozesse. Die Beitrittsperspektive für Moldau und die Ukraine, die sich „so tugendhaft wehren und europäische Werte verteidigen“, müsse aber aufrechterhalten bleiben. 

Ein bisschen Beitritt

Man dürfe aber nicht die Hoffnung vermitteln, dass dies von heute auf morgen auf Knopfdruck erreichbar sei. Bei Fortschritten sollte man sie zumindest an der „europäischen Integration teilhaben lassen“. Juncker sprach in diesem Zusammenhang von einem „teilweisen Beitritt, einer intelligenten Form eines Fast-Beitritts“.  Er spielt damit wohl auch auf aktuell hinter den Kulissen laufende Reformdiskussionen zur künftigen Struktur der EU an. Im Gespräch sind etwa „konzentrische Machtkreise“ mit inneren Gruppen, die entscheiden, mittleren Gruppen, die gewisse Vorteile haben und äußeren Gruppen, die lose mitmachen aber nicht mitreden können.

Gesinnungsrassismus

Bezüglich des Aufschwungs rechter Parteien in der EU – etwa in Italien Giorgia Meloni - und ob damit die „Rechte“ hoffähig werde, sagte Juncker: Nein, die bekämpfe man ja in Wort und Tat. Wenn die Extremen regieren, müsse man sie an ihren Taten messen. Man solle Meloni daher nicht zur Aussätzigen erklären, das stärke nur die Extremen. „Wir dürfen keine Rassisten der Gesinnung sein“, sagte Juncker. Man müsse auch „mit denen reden, die nicht so sind wie wir“, sagte er gönnerisch. Einen Schulterschluss „mit diesen Postfaschisten“ lehnt er aber ab. 

Politische Schizophrenie

Juncker war zum Zeitpunkt der illegalen Einwanderung von Millionen Migranten nach Europa Kommissionspräsident. Sein Lösungsvorschlag damals: Eine Quotenregelung. Die scheiterte am verständlichen Widerstand der EU-Mitglieder. Die Folgen der Massenmigration sind heute überall sichtbar: Unkontrollierbare Parallelgesellschaften, Kulturkämpfe, steigende Kriminalität. Juncker ist trotzdem überzeugt: Europa muss ein offener Kontinent bleiben. Zu Ende seiner Amtszeit rief Juncker in seiner Abschlussrede dazu auf: „Bekämpft den dummen Nationalismus“. Heute räumt Juncker aber auch ein: Man müsse unterscheiden zwischen Asylberechtigten und irregulären Migranten. „Wir müssen es hinkriegen, dass die Herkunftsländer bereit sind, nicht Asylberechtigte wieder zurückzunehmen“, das sei aber eine „schwierige Kiste“, weil das die meisten dieser Staaten verweigern. 

Dumpfe Gefühle 

Auf die Frage, was die etablieren Parteien dem Rechtsruck in Europa entgegensetzen können, meinte Juncker: Sie dürfen nicht dasselbe sagen wie die Populisten. Man müsse sich ihnen „in den Weg stellen“. Die extreme Rechte habe simple Antworten für komplizierte Vorgänge. Die Bürger hatten viel mit Krisen zu tun, das habe zu großer Verunsicherung geführt. „Und wenn die Menschen irre werden von der Wirklichkeit, haben die Populisten leichtes Spiel. Sie müssen nur die dumpfen Gefühle, die es in Teilen der Bevölkerung gibt, einfangen“. 

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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