Mehr Geld gefordert: Ukraine-Flüchtlinge klagen Schweizer Kanton

Von Kornelia Kirchweger
11. Februar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Unterstützt von einem grünen Lokalpolitiker klagen 39 Ukraine-Flüchtlinge den Schweizer Kanton Luzern. Denn sie bekämen zu wenig Sozialhilfe. In den Supermärkten sei alles zu teuer. Sie müssten sich sogar bei den Caritas-Märkten anstellen. Das sei entwürdigend. 

In die Caritas-Geschäfte kommen indes auch immer mehr arbeitende Arme, Pensionisten und Sozialhilfebezieher. Das Angebot reiche immer noch aus, heißt es. Damit aber Ukraine-Flüchtlinge nicht in diese unwürdige Lage kommen, muss das Kantonsgericht jetzt überprüfen, ob ihnen mehr Geld zusteht.

Grüner Politiker hilft

Der grüne Kantonsrat Urban Frye vertritt die Flüchtlinge und übernimmt die Anwaltskosten. Er ist im Kanton Initiator des ukrainischen Kulturzentrums „Prostir“ in Reussbühl. Aus diesem Umfeld stammen die ukrainischen Kläger. Er will notfalls bis zum Bundesgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen. Das sei der einzige Weg, um höhere Unterstützung für die Flüchtlinge zu erwirken. Politisch sei nämlich nichts mehr zu machen. Nach Ansicht Fryes widersprechen die niedrigen Sätze dem Bundesrecht – und letztlich auch der Europäischen Menschenrechtskonvention. In Basel gebe es fast die doppelten Beihilfen. Solche Unterschiede seien unverständlich. Das Leben in Basel sei schließlich nicht doppelt so teuer. Joghurt und Milch kosten überall gleich viel.

Entwürdigende Lage

In einer Unterbringung des Kantons erhalten Flüchtlinge in Luzern pro Tag 11,50 Franken, in Einzelunterkünften 14,15 Franken. Im Kanton Basel-Stadt werde das Doppelte gezahlt. Das Asyl-Sozialhilfesystem in Luzern sei miserabel, beklagt Frye. Das gelte für alle Flüchtlinge. Zum Vergleich: Sozialhilfe-Bezieher mit Schweizer Pass, aber auch anerkannte Flüchtlinge, erhalten mit 33,90 Franken mehr als das Doppelte. Laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) liegen die Tagespauschalen in den Kantonen für Asylforderer in einer individuellen Unterkunft zwischen 9,70 und 26,80 Franken. Luzern befindet sich damit am unteren Ende. Ein menschenwürdiges Leben sei damit nicht möglich. Das Geld reiche nicht für Lebensmittel und Körperpflege, beklagte eine Ukrainerin in Luzern. Sie müsse sich bei der Kirche oder der Caritas eindecken. Dort bekomme sie für 5 Franken Lebensmittel, muss aber dafür oft lange anstehen, und das Essen sei nicht immer frisch.

Bund zahlt 1.500 Franken

Frye unterstellt Luzern sogar, einen Teil des Bundesgeldes in die eigenen Taschen zu stecken. Der Bund überweise den Kantonen für jeden Asylforderer monatlich 1.500 Franken. Darin sind Sozialhilfe und Kosten wie Miete und Krankenkasse enthalten. Während der Kanton Aargau an Asylforderer monatlich 550 Franken auszahle, seien es in Luzern nur 350. Wo die restlichen 200 Franken landen, sei nie beantwortet worden. Der zuständige Regierungsrat für Soziales, Guido Graf, zeige keine Gesprächsbereitschaft. Das stimme nicht, widerspricht dieser. Auch er rechnet vor: Flüchtlinge, die individuell wohnen, erhalten 14,15 Franken täglich, plus mögliche Zusatzleistungen für den öffentlichen Verkehr oder die Kinderbetreuung. So komme Luzern auch auf 550 Franken oder sogar mehr. Zudem überprüfe man ohnehin gerade die kantonale Asylverordnung. Spätestens bis Juni werde ein Entwurf vorliegen.

Schweizer verarmen

Auch einfache Schweizer Bürger können sich die Preise im Supermarkt nicht mehr leisten. Die Läden des Schweizer Caritas-Hilfswerks machten im Vorjahr Rekord-Umsätze: um 33 Prozent mehr als 2021. Grund dafür sei, neben dem Zustrom von Ukraine-Flüchtlingen, auch die hohe Inflation. Man registriere immer mehr arbeitende Arme und ältere Personen, also Pensionisten. Das Angebot reiche aber noch aus. Viele Großketten beliefern die Caritas-Sozialmärkte. In der Schweiz sind das u.a. Denner, Migros, Nestlé und Lindt plus weitere 400 Lieferanten. Für den Einkauf bei der Caritas ist eine „Einkaufskarte“ erforderlich. Sie wird von öffentlichen Sozialämtern, kirchlichen und privaten Sozialeinrichtungen und den regionalen Caritas-Zentren ausgestellt. Einkaufen dürfen finanziell benachteiligte Menschen, die am oder unter dem Existenzminimum leben müssen, die Sozialhilfe oder Zusatzleistungen beziehen oder sich in einer Schuldensanierung befinden.

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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