Brauchtum

Wandkalender: Ein Anachronismus im digitalen Zeitalter – oder etwas ganz Besonderes?

Von Konrad Reisinger
8. November 2023
Lesezeit: 3 Min.

„Was ist Zeit?“, fragte Udo Jürgens einmal in einem seiner Lieder: Eine Frage, deren Beantwortung sich „über die Zeiten“ wohl immer wieder verändert haben mag. In jedem Fall ist das Zeitempfinden des Einzelnen in der digitalen Welt, in der scheinbar alles gleichzeitig geschieht, vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Der Kärntner Heimatforscher Ewald Friesacher hat dazu seine ganz eigene Weltsicht, die er seit vier Jahrzehnten in Form eines ganz besonderen Kalendariums kundtut.

Die Zeitmessung und das dazu notwendige Bewusstsein von Zeit dürfte sich wohl schon vor vielen tausend Jahren entwickelt haben, und es darf angenommen werden, dass dieser evolutionäre Quantensprung im Zusammenhang mit der Entwicklung des Vorratsdenkens stand: Um auf der Nordhalbkugel überleben zu können, war das Erfassen der jahreszeitlichen Veränderungen eine Grundvoraussetzung.

Zeit und Zeitmessung: Ein Thema seit der Jungsteinzeit...

Die Beobachtung von Konstanten, die den Jahreslauf berechenbar machten, müssen irgendwann zu Beobachtungsplätzen geführt haben. Simple Observatorien, die zugleich Kalendarien und damit erste Zeitmesseinrichtungen waren, auch wenn es sich anfänglich nur um die Wendepunkte der Sonne handelte. Das älteste derartige Sonnenkalendarium, das wir heute kennen, ist jenes von Goseck in Sachsen-Anhalt, das über 7.000 Jahre alt ist. So alt ist der „Alldeutsche Jahrgothweiser“ (vormals „Alter Jahreszeitweiser“), das Kalendarium von Ing. Ewald Friesacher, natürlich noch nicht, aber es erscheint immerhin schon seit vier Jahrzehnten, und es ist – allen Widerständen zum Trotz – eine Erfolgsgeschichte geworden.

Kraft des Mondes und sein Einfluss auf die Menschen

Wie kam er eigentlich 1982, als junger aufstrebender Techniker bei Siemens, auf die Idee, einen Kalender und noch dazu einen Wandkalender herauszugeben? Friesacher, ein Kärntner Original im besten Sinne, erklärt dazu: „Ich wollte ein plastisch einprägsames Kalendarium schaffen, das die Kraft des Mondes und seinen Einfluss auf die Menschen – insbesondere die Frauen – ins Bewusstsein rückt. Ich wollte die Mondphasen immer durch eine spiralförmige Kreisung vor Augen haben; so entstand das besondere graphische Design meines Kalenders. Wie jeder weiß, hat der Mond einen gewaltigen Einfluss auf Mensch, Tier – insbesondere hormonell – und Natur: Die Spirale verbindet die Mondphasen mit uraltem, tradierten Wissen und wird so auch zu einer besonderen Uhr für den Menschen, von der er mehr über innere und äußere Zusammenhänge erfährt.“ Man könnte seinen Kalender auch als „Kreis-Zeit-Weiser“ bezeichnen, erzählt Friesacher, und man merkt, dass er mit Leidenschaft und Überzeugung an einer Sache hängt, an die er auch selbst glaubt.

Mit dem Wandkalender das alte Brauchtum neu entdecken

Friesachers Kalender ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes: Nicht nur wegen des wandfüllenden A3-Formats mit ausklappbaren Seitenteilen, sondern wegen der farbenfrohen, prächtigen Gestaltung, die in jeder Stube ein Blickfang ist.

Diese unverwechselbare Optik ist auch das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung, so waren die Kalender der 1980er-Jahre noch einfärbig, wie uns Friesacher erklärt. Hinzugekommen ist seit einiger Zeit auch ein eigenes Jahrbuch im A4-Format, um den Kalender zum Lesen nicht jedes Mal von der Wand abnehmen zu müssen: „Kalender und Jahrbuch ergänzen sich ideal: So sind am Kalenderblatt u.a. die Lostage erfasst, über die man im Jahrbuch mehr erfährt. So kann man auf diesem Wege das alte Brauchtum neu entdecken...“

Lebensqualität durch das Wiederfinden des natürlichen Lebensrhythmus

Aber ist sein Kalendarium in Zeiten, wo die Menschen schlicht keine Zeit mehr zu haben scheinen, weil sie sich 24 Stunden am Tag im Standby-Modus einer permanenten Reizüberflutung aussetzen, überhaupt noch zeitgemäß?

„Mehr denn je zuvor“, ist Friesacher überzeugt. Die Menschen würden ja schließlich einen Kompass brauchen, der sie aus diesem digitalen Hamsterrad herausführe, zurück zu einer naturverbundenen Lebensweise: „Nichts ist schöner, als Zeit für sich zu haben!“ Das Wiederfinden des natürlichen Lebensrhythmus sei für ihn ein Ordnungs- und Identitätsfindungsprozess, ohne den es keine Lebensqualität geben könne. Der zivilisationskrank gemachte Europäer des 21. Jahrhunderts könne seine Wurzeln nicht irgendwo, sondern nur bei seinen Altvorderen finden. Hierzu böte sein Kalender eine unentbehrliche Orientierungshilfe. 

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Zum Autor: Konrad Reisinger war nach seinem Geschichte- und Philosophie-Studium viele Jahre als Verlagslektor tätig. Als Autor und Lektor begleitete er den „Wochenblick“ seit seiner Gründung. Dabei war er auch für die erfolgreichen „Wochenblick“-Spezialmagazine verantwortlich. Nach einem zwischenzeitlichen Gastspiel bei der konservativen Wiener Zeitschrift „Der Eckart“ ist er seit dem Sendestart im Mai 2021 Redakteur bei den „Nachrichten AUF1“.

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