Kasa Fue / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0 (geneigt)
Cancel culture

Geschichte vernichten: Denkmal für Wiener Bürgermeister Lueger wird gekippt

Von Ferdinand Mayr
17. Juni 2023
Lesezeit: 2 Min.

In Wien soll das Denkmal des bekannten Wiener Bürgermeisters Karl Lueger um 3,5 Grad geneigt werden. Der Vorwurf: „Antisemitismus“. Dahinter steckt nicht weniger als der Versuch, Geschichte und Kultur zu beschmutzen und auszulöschen.

Karl Lueger gilt als Vater des modernen Wien. Zahlreiche soziale Projekte verdankt die Stadt an der Donau seiner politischen Arbeit. So kommunalisierte er die Gas- und Elektrizitätsversorgung, errichtete die Straßenbahn, lies Krankenhäuser und eine Wasserleitung bauen. Auch lange nach seinem Tod galt Lueger deshalb als populäre Kultfigur.

„Antisemitismus“ als Vorwand für Geschichtssäuberung

Mehrfach äußerte sich Lueger in seiner Amtszeit auch judenfeindlich. So sprach er vom „Einfluß auf die Massen“, der „bei uns in den Händen der Juden“ liege. Ebenso „der größte Teil der Presse“ und „der weitaus größte Teil des Kapitals“.  Für Vertreter der „cancel culture“ ein willkommener Vorwand, sein Andenken auszulöschen. Bereits 2012 wurde der Wiener Lueger-Ring in Universitätsring umbenannt. Im Rahmen der Debatte wurden auch Stimmen laut, welche die Entfernung des Ehrenmals am Dr.-Karl-Lueger-Platz forderten. Nach einem Wettbewerb soll dieses nun um 3,5 Grad nach rechts geneigt werden.

Eine „Einladung“ zur Kulturbeschmutzung

Um die „Monumentalität und Erhabenheit der Statue zu brechen“, wie der „Künstler“ Klemens Wihlidal betont. Oder, wie es der ebenfalls involvierte „Künstler“ Martin Krenn umschreibt, ein „Denkmalsturz, unvollendet“.

Auch die Beschmutzung des Denkmals sei dabei kein Problem. In der Vergangenheit hatten antifaschistische Gruppen wiederholt die Lueger-Statue beschmiert. Er hätte nichts dagegen, so Wihlidal, wenn Graffiti Teil der Intervention würden. Für den Standard-Journalisten Stefan Weiss klingt das „fast wie eine Einladung“.

Die „Kontextualisierung“ des Lueger-Denkmals steht dabei nicht im luftleeren Raum. Sie ist Teil einer alles umfassenden Säuberungswelle. Orte, Symbole, Lieder, Kleidung, aber auch Menschen müssen der politisch korrekten Inquisition weichen.

Cancel culture: Löscht Kultur!

Selbst jene, die auf der vermeintlich „richtigen Seite“ der Geschichte stehen. Ob der Kommunist Karl Marx („ein jüdischstämmiger Antisemit"), die Feministin Alice Schwarzer (eine angebliche Transfeindin), aber auch der Grüne Boris Palmer (ein „Rassist“) und die Linke Sahra Wagenknecht („ausländerfeindlich“, „Putinversteherin“): Wer nicht perfekt ins Konzept der woken, also hypersensiblen, politisch korrekten Ideologen passt, wird gesellschaftlich „gecancelt“.

Im Falle von historischen Persönlichkeiten wird daraus, die Löschung der Existenz schlechthin. So wird „cancel culture“ von einer Kultur des Löschens zum Aufruf, Kultur zu löschen.

Die ideologische Säuberung der Geschichte

Ebenso wie Kontroversen, Widersprüche und Konflikte in der heutigen Zeit verschwinden sollen, soll auch die Geschichte hygienisch gesäubert und nachträglich zurechtgestutzt werden. Geschichte wird so ideologisch konstruiert. Nicht mehr die Realität mit ihren unliebsamen Widersprüchen wird abgebildet, sondern ein Wunschbild geschaffen. Ein Wunschbild ohne Raum für Ungewünschtes. Diese werden zu Macken, Fehlern oder Störungen erklärt und müssen weg. Was bleibt, ist eine ideologiegerecht gesäuberte Geschichte.

Nicht mehr was war, zählt, sondern das, was gewünscht ist. So schafft die postmoderne Gesellschaft das Unmögliche. Nicht nur neue Geschlechter werden erfunden und Nationalitäten der Beliebigkeit preisgegeben, sondern auch die Vergangenheit wunschgerecht geändert.

Kein Raum für Differenzierung und Kontext

Bereits der differenzierte Blick scheint dabei verdächtig. Wer Geschichte in all ihren Facetten anerkennt, ihr ihren Raum und Kontext zugesteht, mache sich - so der implizite Vorwurf - mit dem „Bösen“ gemein. Deshalb muss die „Aufarbeitung“ der Geschichte auch immer weitergeführt werden. So lange, bis nichts mehr übrig bleibt, was als „historisch belastet“ wahrgenommen werden kann. Mit anderen Worten: Nichts.

Das sieht offenbar auch die Leiterin des Jüdischen Museums Wien, Barbara Staudinger, so. „Ich bin ja immer ein Fan davon, dass nichts für die Ewigkeit ist. Es ist vielleicht gar nicht das Ende der Diskussion und soll es auch nicht sein.“

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