Kommentar

Österreich: Nehammer-Video bestätigt Doppelmoral der Presse

Von Kurt Guggenbichler
30. September 2023
Lesezeit: 2 Min.

Die Reaktionen auf das Nehammer-Video entlarven einmal mehr die Doppelmoral diverser österreichischer Medienvertreter, die diese im Umgang mit Politikervorkommnissen pflegen, wenn deren Verursacher den Regierenden und den ihnen hörigen Journalisten nicht genehm sind. 

Während der eine Politiker für blödes Reden im kleinen Kreis gesellschaftlich ruiniert wird, nämlich der damalige Vizekanzler H. C. Strache (FPÖ), wird der andere, der aktuell amtierende Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Grund seiner gefühllosen Worte zum Impulsgeber einer Debatte um die Kinderarmut hochstilisiert, wie tags darauf nicht nur im „Kurier“ zu lesen war.

Tja, wenn zwei das Gleiche tun, dann ist es nicht dasselbe, zumindest nicht in Österreich. Ein Vizekanzler, hieß es damals einhellig von den Scheinheiligkeitsfraktionen im Parlament wie auch von der Journaille, dürfe nicht einfach blödes Zeug vor sich hin brabbeln, zumal Strache damals auch unterstellt wurde, dass die auf der Ibizia-Insel verbal gesponnenen Phantasien natürlich schon einen ganz ernsten Hintergrund hätten.

Scheinheiligkeit der Medien

Wollte dieser Kerl doch glatt die „Kronen Zeitung“ kaufen lassen und dann für sich nutzen. Das Ganze ist über das Planspielstadium zwar nicht hinausgekommen, doch allein dieses Ansinnen, genügte schon, um die Existenz eines Menschen zu ruinieren.

Die Unabhängigkeit der Presse sei schließlich ein hohes Gut, tönten die Scheinheiligkeitsfraktionen, die die Medien schon längst für ihre Zwecke benutzen. Mit getürkten Umfragen wurde Kanzler Sebastian Kurz von den Türkisen (ÖVP) von willfährigen Journalisten zum Messias dieses Landes hochgeschrieben und welche Wahl das mit den Roten sympathisierende SORA-„Meinungsforschungsinstitut“ vielleicht beeinflusst hat, wird sich möglicherweise noch herausstellen.

Keine hohen Ansprüche an amtierenden Regierungschef?

Doch zurück zu Nehammer: Wenn schon an einen Vizekanzler so hohe moralische Ansprüche gestellt werden, dass er wegen seiner Sager im angeheiterten Zustand nicht mehr tragbar war, dann sollte das für einen amtierenden Regierungschef, der im nüchternen Zustand schon unzumutbares Zeug schwafelt, erst recht gelten.

Aber nicht doch, versucht der „Kurier“-Journalist Martin Gebhart zu beruhigen. Kanzler Nehammer habe halt in einer ÖVP-Runde seinem Ärger freien Lauf gelassen… Und auch die ÖVP versucht die Wogen zu glätten, und stilisiert die volksfeindlichen Worte des Kanzlers zu einer Initialzündung für eine Debatte über die Kinderarmut in diesem Land hoch.

In Österreich 350.000 Kinder armutsgefährdet

Hallo! Wieso muss der amtierende Kanzler über die bereits erwiesene Kinderarmut in diesem Land debattieren lassen? Er weiß doch (aus nicht gefälschten Umfragen), dass 350.000 Kinder in Österreich armutsgefährdet sind und könnte diesen Zustand mit seiner Regierungsmehrheit im Parlament schnell beenden.

Dazu hätte es seiner peinlichen Einlassungen vor Salzburger Parteifreunden erst gar nicht bedurft. Die ÖVP sieht das anders, denn dort freut man sich sogar über die vielen Rektionen, heißt es, die den Kanzler in seinem Furor bestärkt hätten.

Wo bleibt die Entrüstung über Nehammers Entgleisung?

Was heißt hier Furor? Man stelle sich vor, die FPÖ hätte Straches Verhalten nach dem Ibizia-Video mit denselben Worten kleingeredet. Sobald sich einmal einer von der FPÖ in Rage redete, und sei es auch nur im Parlament, wo eigentlich Klartext gesprochen werden sollte, gehen in den Scheinheiligkeitsfraktionen sofort die Wogen der Entrüstung hoch.

Nehammers verbale Absonderungen vor Salzburger Parteifreunden haben lediglich ein Entrüstungslüfterl ausgelöst. Dabei würde das, was er armen österreichischen Familien zumutet, nämlich ihre Kinder bei McDonalds zu „ernähren“, schlimmere Auswirkungen auf die Volksgesundheit haben, als ein Verkauf der „Kronen Zeitung“ die Unabhängigkeit der Presse gefährdete.

Denn die Pressefreiheit in diesem Land ist ohnehin nur noch eine scheinbare! 

Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.

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