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Kommentar

Kampf um Telegram-Zensur: Noch beißt sich Staatsschutz die Zähne aus

Von Daniel Matissek
28. Januar 2023
Lesezeit: 4 Min.

In Deutschland setzt der institutionelle Linksstaat alles daran, jene Medienformen, die sich seiner ideologischen Gleichschaltung entziehen, unter Kontrolle zu bekommen – bislang ohne Erfolg: Vor allem der Messengerdienst Telegram bleibt das große Feindbild von Politikern, die zunehmend selbst definieren wollen, was „Meinungsfreiheit” bedeutet und über Alibi-Floskeln wie „Bekämpfung von Hassrede“ Andersdenkende zum Schweigen bringen wollen. Die eigens eingerichtete Zentralstelle „Cybercrime“ beklagt, dass dies bei Telegram nicht funktioniert. Zum Glück.

Vor einem Jahr hatte SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen regelrechten Feldzug gegen Telegram gestartet, in dessen Verlauf sie zwischenzeitlich sogar mit der Abschaltung des Dienstes drohte. Damit hätte sich Deutschland dann in guter Gesellschaft von Staaten wie China, Nordkorea oder dem Iran befunden.

Wohlklingende Begriffe zur Verschleierung der Zensur

Und weil jede Regierung, jedes Regime, jede Diktatur, die jemals Meinungsfreiheit in der Geschichte einschränkten, dies nach eigener Lesart natürlich rundheraus bestritten und ihre Zensur entsprechend sprachlich camouflierten (in der DDR etwa als Kampf gegen „Republikfeinde“, „imperialistische Provokateure“ oder „Staatszerrüttung“, in China gegen „Feinde der Volksrepublik“), hat man sich im Westen zur Verleugnung des Offensichtlichen ebenfalls wohlklingende Tatbestände wie „Hate Speech“ respektive „Fake News“ ausgedacht, im Namen von deren Bekämpfung wieder Maulkörbe verpasst werden. Neuerdings kommt in Deutschland noch die „Delegitimierung des Staates“ hinzu.

So ist auch in Faesers Bestrebungen gegen die wenigen verbliebenen nichtregulierten – also freie Telegram-Kanäle – vorzugehen, der Vorwand wieder einmal der Kampf gegen „Hass und Hetze“. Was darunter zu verstehen ist, definiert der deutsche Staat nach größtenteils willkürlichen Prinzipen, wie sie unter anderem im unsäglichen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bestimmt sind.

Behörden resignieren

Während sich die anderen großen Social-Media-Plattformen, von Google/Youtube über Facebook und Instagram und auch Twitter an die Leine legen ließen und über ihre „Gemeinschaftsstandards“ die staatlichen Denkkorridore überwachen, weigert sich Telegram als einziger relevanter Messengerdienst beharrlich, mit der staatlichen Bespitzelungsjustiz zu kooperieren und die verlangten Daten herauszugeben.

Bei den entsprechenden Behörden macht sich daher zunehmend Resignation breit: „Wir kommen an Telegram einfach nicht ran“, jammert etwa Christoph Hebbecker von der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) der Kölner Staatsanwaltschaft. „Wir wissen mittlerweile, dass wir in der Regel höchstwahrscheinlich keinen Verdächtigen ermitteln können, weil Telegram nicht kooperiert“, beklagt er weiter. Deshalb führe seine Behörde kaum Verfahren mit Bezug zu Telegram.

Maulhelden in der Regierung

Trotz des Maulheldentums von Faeser und FDP-Justizminister Marco Buschmann, der dem Dienst Millionenstrafen angedroht hatte, zeigt sich Telegram auch in der Weitergabe von Nutzerdaten weit weniger willfährig als die handzahmen Kollegen von Facebook oder Twitter (auch und gerade seit der Übernahme durch Elon Musk). Bei Gesprächen von Vertretern des Innenministeriums mit Unternehmensgründer Pawel Durow hatte dieser zwar die Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert, bislang scheint sich aber kaum etwas an der Firmenpolitik strengster Vertraulichkeit geändert zu haben.

In seiner Not hat das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn im Oktober zwei Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt rund 5,1 Millionen Euro an Telegram übermittelt. Die von den Firmenanwälten eingelegten Einsprüche werden derzeit geprüft. Schlimmer noch: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat sogar die Zeit gefunden, die Ludwig-Maximilians-Universität in München mit einem eigenen Forschungsprojekt zu beauftragen, das untersuchen soll, in welchem Ausmaß soziale Medien zur Radikalisierung von Menschen beitragen, und wie extremistische Inhalte und „Verschwörungsmythen“ in die Gesellschaft hineingetragen werden.

Was ist eine „Verschwörungstheorie“?

Schon daran zeigt sich die ganze Problematik dieses Ansatzes: Was „Radikalisierung” bedeutet und vor allem wie „Verschwörungsmythen” zu definieren sind, ist oft nur schwer oder kaum möglich. Ein Großteil dessen, was während der Corona-Hysterie als „Verschwörungstheorie” eingestuft wurde, erwies sich später als zutreffend. Zudem deckt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eben auch den Glauben an Verschwörungen ab. Der Staat hat nicht über die inhaltliche Richtigkeit von Meinungen zu befinden, sondern nur das Recht zu verteidigen, diese äußern zu dürfen, sofern sie nicht gegen klar definierte Gesetze verstoßen.

Und was offensichtliche Rechtsverstöße anbelangt, ist es übrigens auch keineswegs so, dass Telegram alles durchgehen lässt: Selbst das Bundeskriminalamt (BKA) musste anerkennen, dass Telegram 419 von 445 strafbaren Inhalten gelöscht habe; allerdings handelte es sich dabei um eindeutig justiziablen Inhalt, nicht um das, was die „Demokratiewächter“ aus Faesers Dunstkreis gerne als solchen brandmarken würden. Hinweise auf die Identität von Nutzern an die Behörden jedoch werden von Telegram nach wie vor kaum herausgegeben: Von den „230 herausgehobenen Fällen“, bei denen das BKA E-Mail- oder IP-Adressen verlangte, wurde nur 25 Anfragen entsprochen.

Im Zweifel für die Freiheit

Auch wenn dies in manchen zweifelhaften Fällen (etwa bei Beleidigungen, Chiffren für mutmaßlichen Kindesmissbrauch oder der heimlichen Vorbereitung von Verbrechen) zwar misslich sein mag: Es stünde für Telegram viel auf dem Spiel, wenn es seine strikte Diskretion aufgäbe und staatliche Chatbots oder Zensurbehörden mitlesen und seine Nutzerkonten einsehen ließe. Gerade der staatliche Zugriff auf Nutzerdaten würde heutzutage definitiv und zwangsläufig sofort missbraucht werden, um den politischen Gegner mit echten Kriminellen in einen Topf zu werfen – vor allem in Deutschland, wo der Staat seine Unschuld und Vertrauenswürdigkeit endgültig verloren hat, weil die linksgrüne Politik überhaupt keinen Respekt vor dem einst hohen Gut der Meinungsfreiheit mehr kennt.

Nicht umsonst vertrauen denn auch Oppositionelle und politisch Verfolgte in aller Welt Telegram am meisten. Zwar tummeln sich dort auch Unmengen an Verrückten und wohl auch Straftäter; doch dies ist eben der zuweilen bittere, aber im Zweifel unbedingt in Kauf zu nehmende Preis der Freiheit. Die Nachkriegsgenerationen und auch die ostdeutsche Nach-Wende-Generation der DDR wusste dies noch.

Bewusst schwammige Gesetzgebung

Die jüngeren, nicht-diktatursozialisierten 68er-Erben hingegen beklatschen wieder blindlings die autoritäre Meinungskontrolle und begehen aus Verblendung dieselben Fehler, die ihre Vorfahren begingen – natürlich wie jene einst im Glauben an die eigene moralische Unfehlbarkeit und „Alternativlosigkeit“ dieser Einschränkungen.

Das Ergebnis dieser tatsächlichen schleichenden Aushöhlung von Demokratie ist am Ende, dass sich in Deutschland bereits die Hälfte der Bevölkerung nicht mehr traut zu sagen, was sie eigentlich denkt. Bei aller Fragwürdigkeit mancher Inhalte: Telegram ist einer der wenigen verbliebenen Rückzugsorte für kritisches und unabhängiges Denken – und seine Daseinsberechtigung größer denn je. Denn je schwammiger die staatliche Gesetzgebung den Tatbestand der Hassrede oder Volksverhetzung fasst, bis dieser schließlich alles und zugleich nichts mehr bedeutet, werden alle, denen noch etwas an ihrer Freiheit liegt, auf Plattformen wie Telegram angewiesen bleiben, um den Fängen einer politischen Justiz entrinnen zu können. Es bleibt daher zu hoffen, dass die übergriffigen Versuche der deutschen Behörden, der Inhalte und Nutzer von Telegram habhaft zu werden, auch weiter ins Leere laufen.

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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