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Geopolitik

Neue Farben-Revolution in Georgien à la Soros?

Von Martin Müller-Mertens
11. März 2023
Lesezeit: 2 Min.

Die „Mutter Georgiens“ schaut besorgt ins Tal. Seit 1958 thront die Monumental-Statue auf dem Sololaki-Gebirge am Rande der Innenstadt von Tiflis. Weiter unten, auf dem Rustaweli-Boulevard, randalierten in dieser Woche Tausende vor dem Parlament. Ausgerüstet mit EU-Fahnen wirkten sie wie eine Neuauflage der sogenannten Farben-Revolutionen, mit denen die Stiftungen des US-Milliardärs George Soros wiederholt Regierungen stürzten.

Anlass war das Gesetz „Über die Transparenz ausländischen Einflusses“, nach dem sich sogenannte Nichtregierungs-Organisationen (NGO) mit fremden Finanziers registrieren lassen müssten. Die Novelle ist eine Kopie des US-amerikanischen Registrierungsgesetzes für Auslandsvertreter (Foreign Agents Registration Act), aber auch einer vergleichbaren russischen Regelung. Aus Sicht der westlichen Systempresse sind die Fronten in Tiflis klar: Auf der einen Seite die „demokratische Zivilgesellschaft“ um Präsidentin Salome Surabischwili, ihnen gegenüber die pro-russische Regierung von Premier Irakli Gharibaschwili. Dessen Partei „Georgischer Traum“ dürfte hinter dem Gesetzentwurf stehen, der offiziell von der Abspaltung „Kraft des Volkes“ eingebracht wurde.

Partei erinnert an Beutegemeinschaft

Doch der „Georgische Traum“ ähnelt weniger einer programmatischen Bewegung, sondern eher einer Beutegemeinschaft. Der Lebensweg ihres Gründers Bidsina Iwanischwili vom Nachhilfe-Lehrer zum Multi-Milliardär erinnert auffallend an die Biografien russischer Oligarchen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges verfolgt der „Georgische Traum“ eine Schaukelpolitik: Verbal unterstützt Tiflis den Westen, hält sich jedoch gegenüber Moskau die Optionen offen. Politische Erwägungen spielen dabei höchstens eine Nebenrolle. Georgien braucht die Russen als zahlungswillige Touristen, aber auch als Importeure von Wein und Mineralwasser.

Die Präsidentin des Westens

Surabischwili ist dagegen tatsächlich der Prototyp eines westlichen Agenten: Ausgebildet von Zbigniew Brzeziński, dem Paten der US-Geopolitik, ergänzte sie 2004 ihre französische durch die georgische Staatsbürgerschaft, um in Tiflis Ministerämter zu bekleiden. Die von ihr initiierten Proteste am Parlament wurden umrahmt von Attacken der US-Botschaft und des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gegen die Regierung. Eine organisatorische Einflussnahme der Globalisten ist jedoch zumindest nicht offen erkennbar. Möglicherweise genießt Surabischwili, die in der Vergangenheit auch mit dem „Georgischen Traum“ paktierte, nicht das volle Vertrauen Brüssels und Washingtons.

Erdgas und Erdogan

Doch vielleicht hält sich das Establishment des Westens auch bewusst zurück. Im Falle Georgiens müssen die Globalisten Rücksicht auf die Interessen Ankaras nehmen. Geld aus Erdogans Reich hat der georgischen Hafenstadt Batumi einen Bauboom für Spielcasinos beschert. Vor allem ist das Land jedoch unverzichtbare Transitstrecke für Erdgas aus Aserbaidschan – seit dem Embargo gegen Russland der neue beste Freund Brüssels.

Agenten-Gesetz liegt vorerst auf Eis

Nach ihrem Teil-Sieg im Karabach-Krieg 2020 ist Aserbaidschans Führung jedoch erkennbar von territorialem Größenwahn befallen. Die Provokationen gegen Armenien, aber auch den Iran beunruhigen mittlerweile sogar die Apparatschiks der „feministischen Außenpolitik“ Berlins. Stabilität in Georgien ist in den Augen der globalistischen Strippenzieher also derzeit vielleicht wichtiger als ein paar EU-Fahnen auf dem Rustaweli-Boulevard. Immerhin lenkte der „Georgische Traum“ gegenüber Surabischwili mittlerweile ein. Das Agentengesetz liegt vorerst auf Eis.

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