Im Deutschland des 21. Jahrhunderts ist es sogar verboten, seiner im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten zu gedenken. Jedenfalls gilt dies – vorerst nur – für den Landkreis Düren. Betroffen von diesem behördlichen Verbot sind die Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack. Dort dürfen weder Blumen noch Kerzen und schon gar keine Bilder des Gefallenen in Uniform auf den Gräbern abgelegt werden.
Bereits vor knapp 2.500 Jahren soll der führende Staatsmann Athens, Perikles, gesagt haben: „Die Kultur eines Volkes erkennt man daran, wie es mit seinen Toten umgeht.“ Auf das Deutschland bezogen, in dem wir – laut Angela Merkel – „gut und gerne leben“, sieht es diesbezüglich düster aus. Denn das Gefallenen-Gedenken gilt in diesem Staat mittlerweile als problematisch, jedenfalls wenn man die Äußerungen von Systempolitikern vernimmt.
Zehntausende Gefallene
Im äußersten Westen der Republik, nahe der belgischen Grenze, liegt der Hürtgenwald. Dort fanden von Oktober 1944 bis Februar 1945 schwere Kämpfe zwischen der deutschen Wehrmacht und US-amerikanischen Invasionstruppen statt. Im waldig-unwegsamen Gelände fuhren sich die US-Panzer rasch fest, so dass die US-Armee eine desaströse Niederlage erlitt. Die Verluste im „Wald des Grauens“ waren auf beiden Seiten groß. Es fielen insgesamt etwa 25.000 bis 30.000 Soldaten. Auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack ruhen mehr als 5.300 Tote.
Landkreis Düren als Vorreiter
War es bis vor wenigen Jahren noch völlig normal, dass auf den Gräbern dieser Gefallenen Blumen und Bilder abgelegt sowie Kerzen abgestellt wurden und die Bundeswehr diesen Friedhöfen im Rahmen militärgeschichtlicher Exkursionen Besuche abstattete und Kränze niederlegte, griff vor einem Jahr die zeitgeistige Verbotsunkultur um sich. So erließ im September 2022 der Landkreis Düren, dem Wolfgang Spelthahn (CDU) als Landrat vorsteht, ein Verbot, das es auf besagten Soldatenfriedhöfen nicht mehr „gestattet, Kränze oder Blumen, Vasen oder andere Zeichen der Trauerbekundung niederzulegen“.
Widerstand bislang erfolglos
Gegen diesen gedenkpolitischen Wahnsinn regte sich jedoch rasch Widerstand. Der Rechtsanwalt Dr. Ingve Björn Stjerna, der regelmäßig diese Soldatenfriedhöfe besucht, leitete rechtliche Schritte ein. Sein Eilantrag, das Blumenverbot aufzuheben, wurde mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Aachen verwies vielmehr auf die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen – wohlgemerkt für das schnöde Niederlegen von Blumen auf Gräbern!
Eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig
Für Dr. Stjerna ist das Urteil äußerst bedenklich, schließlich würde damit ein durch „Grundrechte geschütztes Verhalten pauschal unter staatlichen Genehmigungsvorbehalt“ gestellt. Der Rechtsanwalt folgert somit: „Die Frage, inwieweit diese Konsequenz mit den grundlegenden Ansprüchen eines demokratischen Rechtstaats (…) vereinbar ist, drängt sich auf.“ Die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen war ebenfalls fruchtlos.
Peinliches Herumeiern des CDU-Landrats
Aufgeschreckt durch den juristischen Wirbel des Dr. Stjerna überlegte der Amtsschimmel im Landkreis Düren, Änderungen an der rechtswidrig erscheinenden Friedhofsverwaltung vorzunehmen. Letztlich kam der entscheidungsschwache CDU-Landrat Spelthahn zu dem Entschluss, „derzeit“ keine Änderung an der momentan geltenden, mehr als problematischen Friedhofsordnung (FO) vom 13. September 2022 vorzunehmen. Da auch keine Wahlen anstanden, blieb der Politiker untätig.
Schwindlige Ausnahmeregelung
Um jedoch den Schein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren, kündigte man an, eine „Dienstanweisung für die Friedhofsverwaltung und den Friedhofswärter“ zu erlassen. Damit sollten „Zeichen der Trauerbekundung von Angehörigen und aus dem Bekanntenkreis der auf den Kriegsgräberstätten Bestatteten stets unter die Ausnahmeregelung des § 4 Ziffer 5 FO 2022 fallen, sofern es sich nicht um Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften“ handle. Eine solche Dienstanweisung erließ der CDU-Landrat still und leise am 16. März 2023. Von der Ausnahmeregelung aber ausgenommen sind – wie schon zuvor angekündigt – „Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften oder Fotos in Wehrmachts- oder SS-Uniform“.
Schwammige Regelung
Die Dienstanweisung strotzt nur so von schwammigen Formulierungen und unbestimmten Rechtsbegriffen. Allein die Begriffe „Trauerbekundungen“ und „rechtsgerichtet“ sind nicht definiert und können uferlos ausgelegt werden. In typisch obrigkeitsstaatlicher Manier schließt sich an die Regelung noch eine „Arbeitsanweisung für die Friedhofsverwaltung und den Friedhofswärter“ an. Danach dekretierte man, „Friedhofsverwaltung und Friedhofswärter/-in sind angehalten, die niedergelegten Objekte der Trauerbekundungen nach spätestens vier Woche zu entfernen“.
Der Wächterstaat lässt grüßen
Und zur Bekräftigung wurde ergänzt: „Weiterhin umgehend entfernt werden rechtsgerichtete Botschaften und Fotos in Wehrmachts- oder SS-Uniform.“ Da bleibt nur noch zu erwähnen, dass ganz im Sinne eines Wächterstaates der „Beauftragte für die Betreuung der Kriegsgräberstätten Vossenack und Hürtgen als Orten einer demokratischen Erinnerungskultur“ über die Einhaltung all dieser Vorschriften wacht. Und er wurde schon tätig und ließ im Sinne eines Oberfriedhofswärters Fotos von Soldaten in Wehrmachtuniform entfernen.