Relotius lässt grüßen: „Spiegel“ erfindet totes Flüchtlingsmädchen

Von Daniel Matissek
25. Januar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Die einstige Relotius-Presse relotiert wieder: Der „Spiegel” hat es erfolgreich geschafft, sich mit seiner grotesk-einseitigen Regierungspropaganda auch noch um den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu bringen. Auch vier Jahre nach dem Skandal um Claas Relotius fällt das frühere Nachrichtenmagazin auf Fake News herein – so wie jüngst im Fall von erfundenen Berichten über ein vermeintlich totes syrisches Flüchtlingsmädchen.

Wenn eigene Reporter oder externe Informanten die richtigen Triggerknöpfe bedienen und Stories anliefern, die idealtypisch ins vorgefasste Weltbild der „Spiegel”-Schreiber passen, setzt dort der Verstand so aus wie eh und je. Statt dem einstigen Augstein-Anspruch „Schreiben, was ist“ gilt in Hamburg offenbar „Schreiben, was sein soll”. So musste das Blatt kürzlich mehrere Berichte über ein fünfjähriges syrisches Flüchtlingsmädchen namens „Maria” zurücknehmen, das angeblich wegen der migrationsfeindlichen Politik der griechischen Regierung einem Skorpionstich erlegen sei. In Wahrheit gab es das besagte Mädchen gar nicht. Das Magazin war einfach allzu bereitwillig den Märchen einer aktivistischen NGO aufgesessen.

Konzertierte No-Borders-Propaganda

Kaum hatte man wortreich Besserung gelobt, kam nun jedoch bereits der nächste Skandal ins Rollen – und wieder steht eine Syrerin im Mittelpunkt, Baidaa S., die im Gegensatz zu „Maria“ zumindest den Vorteil hat, tatsächlich zu existieren. Auch sie gehörte der angeblichen Flüchtlingsgruppe an, der der „Spiegel” bereits die imaginäre Fünfjährige zugewiesen hatte. Ihr „Spiegel“-Debüt hatte S. ebenfalls bereits in den – mittlerweile entfernten – „Maria“-Artikeln gegeben, in denen sie im August 2022, arg ramponiert, als vermeintliches Opfer der üblen, fremdenfeindlichen Griechen dargestellt wurde.

In die gleiche Kerbe schlugen zeitgleich übrigens der ebenfalls linke „Guardian” und andere migrationsverherrlichende Medien – alles in einer konzertierten Aktion im Rahmen der No-Borders-Propaganda, die der „Spiegel” seit Jahren betreibt. „Niemand will uns, niemand hilft uns. Ich sterbe vor Hunger und vor Durst, ich sterbe mental und physisch“, jammerte Baidaa S. demzufolge den NGOs vor, die die illegale Massenmigration nach Europa betreiben. Sie erzählte auch erstmals von „Maria” und anderen, die sie angeblich sterben sah, weil die griechische Regierung und die EU-Behörden Hilfe verweigert hätten.

Märchen mit Happy End

Der „Spiegel“ griff diese Schnurren begierig, ohne den allergeringsten Zweifel, auf und gab sie – offenbar ohne jegliche Recherche oder interne Dokumentationsprüfung – an seine Leser weiter. Einschließlich Happy End: Denn am Ende habe es Baidaa S. trotz aller Widrigkeiten dann doch nach Deutschland geschafft, so der aus „Spiegel”-Sicht einzig legitime und moralisch statthafte Ausgang eines jeden Berichts über Migration.

Dumm nur, dass es sich bei Baidaa S. in Wahrheit nicht um eine geschundene Flüchtlingsfrau, sondern um eine produktive und umtriebige Autorin und Influencerin handelt, die offenbar seit Jahren in Deutschland ein- und ausgeht und sich auch häufig in der Türkei aufhält. Auf ihrem (inzwischen nicht mehr öffentlich zugänglichen) Instagram-Account wären ihre vielfältigen Aktivitäten leicht zu verfolgen gewesen; anhand dieser wurde S. schließlich auch überführt. Auf den Gedanken, dort nachzuschauen, kam aber beim „Spiegel“ anscheinend niemand.

Influencerin als Fluchtopfer

Im Gegenteil: Die dortige Redaktion interessierte die Frage, wer S. eigentlich war, offenbar genauso wenig wie all die anderen Ungereimtheiten der ganzen Schmonzette. Das Attribut „Flüchtling“ reicht anscheinend zur Charakterisierung (und medialen Nobilitierung) einer Person vollkommen aus. Vielleicht wollte man sich auch einfach die rührselige Geschichte, die zu schön, um wahr zu sein schien, und so herrlich zur „Blattlinie“ passte, nicht durch störende Recherche ruinieren lassen – Relotius lässt grüßen.

Baidaa S. ihrerseits hält sich zurzeit jedenfalls angeblich in Rheinland-Pfalz auf und bittet sich aus, nicht mehr über die „schwere, traurige Zeit“ in Griechenland sprechen zu müssen. Eine „schwere, traurige Zeit“? Die Umstände des Zustandekommens der „Spiegel“-Veröffentlichungen lässt eher vermuten, dass es sich auch hierbei, wie im Falle von „Maria“, wieder um eine von vorne bis hinten inszenierte Aktion einer Migrations-NGO handelt, die gleichgesinnten „Journalisten“ mundgerecht serviert wurde. Der „Spiegel“ hat sich gewohnt unkritisch darauf eingelassen – und wird wohl nun wieder einmal nach gewundenen Erklärungen suchen müssen, warum das System versagt hat. Vielleicht lassen sich die vermeintlich selbstkritischen Läuterungsversuche der damaligen Relotius-Aufarbeitung ja noch mal wiederverwerten…

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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