Mit dem Einbruch der russischen Gasimporte nach Europa ist ein globaler Wettlauf zur Beschaffung von Flüssiggas (LNG) entbrannt. Vor allem China kurbelt nicht nur die Nachfrage an – sondern greift auch nach dem Weltmarkt. Deutschland gerät nach seinem überhasteten und selbstzerstörerischen Bruch mit Russland auf direktem Weg in Abhängigkeit vom nächsten „Schurkenstaat“…
Europa hat im vergangenen Jahr 121 Millionen Tonnen LNG importiert, was einer Steigerung von 60 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Laut einer Prognose des Shell-Konzerns wird der LNG-Bedarf bis 2040 auf 650 bis über 700 Millionen Tonnen pro Jahr steigen. Steve Hill, der geschäftsführende Vizepräsident für Energiemarketing von Shell, spricht in dem Bericht von weitreichenden Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die weltweite Energiesicherheit und „strukturellen Verschiebungen auf dem Markt, die sich langfristig auf die globale LNG-Industrie auswirken dürften“.
Neue Strategien Pekings
2022 hatte Europa noch den Vorteil, dass die chinesischen LNG-Importe um 15 Millionen Tonnen zurückgingen und auch andere asiatische Länder weniger importierten. Trotz Rekordpreisen konnte Europa seinen Bedarf so gerade noch decken. Dies wird sich ab diesem Jahr ändern: Denn China schickt sich zunehmend an, den LNG-Weltmarkt zu kontrollieren. Das Land entwickle sich „von einem schnell wachsenden Importmarkt zu einem flexibleren Markt, der zunehmend in der Lage ist, den globalen LNG-Markt auszubalancieren“, stellt der Shell-Bericht fest.
Einer anderen Analyse zufolge entfallen rund 15 Prozent aller Verträge, die die Aufnahme der Lieferung von LNG bis 2027 vorsehen, auf chinesische Unternehmen. Japan wird damit bald als bisher größter Flüssiggasimporteur abgelöst werden. Einen der größten LNG-Verträge aller Zeiten hat der chinesische Konzern Sinopec 2022 mit Katar abgeschlossen. Weitere Kontrakte mit Lieferanten in den USA, im Oman, in Malaysia und Brunei laufen bereits.
Europa hat „ernsthaft Grund zur Sorge”
Allein durch die Abkommen mit den USA und Katar wird China sein langfristiges Vertragsvolumen bis 2023 um 12 Prozent steigern. Über kurz oder lang wird sich China damit auch zu einem der größten Exporteure von Flüssiggas entwickeln – weil es seine Überschüsse nach Asien und Europa verkauft und den Markt damit weitgehend kontrollieren kann.
Auch Fatih Birol, der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), hatte kürzlich gewarnt, dass China als großer LNG-Importeur zurückkomme und Europa ernsthaft Grund zur Sorge habe, seine Gasversorgung im nächsten Winter noch sicherstellen zu können. Die Gasabhängigkeit von Russland wird also einer weit größeren Abhängigkeit von China weichen. Man darf gespannt sein, wie sich die begnadeten „Strategen“ der frei dilettierenden Berliner Ampel dann diesen moralischen Widerspruch schönreden werden.