Deutschland hat sich wieder einmal „negativ bewährt” und seinen anhaltenden Absturz unter Beweis gestellt: Im internationalen Länder-Ranking des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist das Land auf Platz 18 von 21 abgestürzt – ein vernichtender Wert, was seine Attraktivität als Wirtschaftsstandort anbelangt.
Noch mieser als Deutschland schnitten im Ranking nur noch Ungarn, Spanien und Italien ab. Nicht genug, dass die lange bekannten Probleme einer ineffizienten Verwaltung und gigantischen Steuerbelastung neben einer mangelnden Innovationsbereitschaft ihren Tribut zollen und die miese Stimmung in der Wirtschaft steigern; nun kommen, als Werk der Ampel-Regierung, auch noch explodierende Energiekosten und Arbeitskräftemangel hinzu. Der „Befund zur Position Deutschlands bietet erheblichen Anlass zur Sorge“, konstatieren die Forscher um den ZEW-Ökonomen Friedrich Heinemann. Die Lage sei ernüchternd. Noch deutlicher äußerte sich Rainer Kirchdörfer, Chef der Stiftung Familienunternehmen: Der Industriestandort Deutschland habe „dramatisch an Qualität verloren“.
Das Land wird nicht besser, sondern schlechter
Eigentlich müsste die massive Energiepreissteigerung Motivation für das Land sein, auf anderen Feldern umso besser zu werden. Doch das ist nicht der Fall – im Gegenteil. „Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören“, klagte Kirchdörfer und rief dazu auf, endlich auf Forderungen der Wirtschaft zu hören. Dazu gehörten auch entschlackte und beschleunigte Genehmigungsverfahren für Fabriken, Straßen, Schienen und Windparks, ebenso eine intensive „frühkindliche Bildung für Jungen und Mädchen” und niedrigere Steuern.
Gut gebrüllt, Löwe – doch nichts davon wird kommen. Denn dem Land fehlen inzwischen resiliente Selbstheilungskräfte und Wagemut. Das ist in anderen Industriestaaten fundamental anders: Laut der Studie haben Unternehmer in den USA die besten Bedingungen, danach folgen Kanada, Schweden und die Schweiz. Größter Aufsteiger ist das vom deutschen und europäischen Polit-Establishment so viel gescholtene Polen. Die USA machen niedrigere Energiepreise, ein schlanker Staat und günstige Finanzierungsbedingungen attraktiv, in Schweden sind es das Steuersystem und günstige Energiepreise, die Schweiz kann einen gut funktionierenden Staatsapparat und den Zugang zu Kapital geltend machen.
Standortentscheidungen zuungunsten Deutschlands
Das Resultat dieser Entwicklung spiegelt sich in konkreten Standortentscheidungen wider, die gigantische weitere Arbeitsplatz- und Wohlstandsverluste (und damit Steuerausfälle) nach sich ziehen: Erst am Montag kündigte Bayer-Pharmachef Stefan Oelrich an, den Schwerpunkt des Pharmageschäfts weiter in die USA verlegen. Er kritisierte: „Die europäischen Regierungen versuchten zwar Anreize für Forschungsinvestitionen zu schaffen, aber auf der kommerziellen Seite machen sie uns das Leben schwer. Wenn man keine Umsätze hat, kann man auf der Kostenseite so viel profitieren, wie man will, aber das ist keine gute Gleichung.“ Selbst das diktatorisch regierte China sieht er als innovationsfreundlicher an als das abgewirtschaftete Deutschland.
Zuvor hatte sich bereits die BASF zum perspektivischen Abzug aus Deutschland bekannt; ihr Chef Martin Brudermüller denkt ebenfalls an die (zunächst teilweise) Auslagerung nach China nach. Auch der Chef des Spezial-Chemiekonzern Lanxess, Matthias Zachert, hat sich in diese Richtung geäußert. Und dabei handelt es sich wohlgemerkt nur um Chemiekonzerne; bei der Automobil- und Zulieferindustrie sieht es noch schlimmer aus. Auch andere Unternehmen nahezu aller Branchen haben 2022 einen regelrechten Exodus aus Deutschland oder gleich ganz aus Europa vollzogen, weil sie hier keine Zukunft mehr sehen. Von einem Hoffnungsschimmer, dass dieser Abwärtstrend noch zu stoppen wäre, kann folglich keine Rede sein.
Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien. Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Für den Wochenblick schrieb er mit einer Unterbrechung vom Sommer 2020 bis zum Schluss. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: "Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein."