Die Politik des „Werte-Westens“ ist geprägt von einer pseudomoralisch legitimierten Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder. Mit Sanktionen, internationalen Ächtungsmanövern und „Regime-Changes” wird versucht, sogenannte Schurkenstaaten zu destabilisieren. Dabei bewirkt diese Politik das genaue Gegenteil – weil sich nicht nur die betreffenden Regime selbst, sondern auch unabhängige Staaten zusammenschließen und zu neuen Bündnissen formieren.
Im Namen von Demokratie und Grundrechten und mit imperialer Attitüde wird von den USA und ihren Verbündeten, insbesondere Europa und allen voran Deutschland, ein unverfrorener und undurchdachter Menschenrechtsinterventionismus praktiziert, der ständig um weitere, angeblich universelle global gültige ethische Standards erweitert wird; neuerdings etwa der „feministischen Außenpolitik“ der deutschen Ampel-Regierung. Dieses überhebliche Treiben stößt zunehmend auf Widerstand vieler Länder, die sich nicht exklusiv von westlichen Globalisten vorschreiben lassen wollen, wie sie zu leben und zu regieren haben.
Unerwartete Wiederannäherungen
Dabei gerät vor allem die Akzeptanz der USA als einzige Supermacht immer mehr ins Wanken. Letzte Woche erst schlossen die beiden Erzfeinde Saudi-Arabien und der Iran ein Abkommen, das die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und eine Kooperation in den Bereichen Sicherheit und Wirtschaft vorsieht. Bezeichnenderweise will man an frühere, aber ausgesetzte Abkommen aus den Jahren 1998 und 2001 anknüpfen.
Beide Staaten sind sich nicht nur aus geopolitischen, sondern auch aus religiösen Gründen spinnefeind: Saudi-Arabien ist die Führungsmacht der sunnitischen, der Iran die der schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ebenso sensationell wie das Zustandekommen des Vertrages selbst ist die Tatsache, dass er nicht etwa von den USA, sondern von China vermittelt wurde. An der Überwindung ihrer „Erbfeindschaft” hatten beide Länder bereits seit zwei Jahren gearbeitet.
China mischt mit
Unter chinesischer Ägide wurde daraus nun ein buchstäblich bahnbrechendes Abkommen, das den gesamten Nahen Osten umwandeln könnte. Die USA betrachten diese Weltgegend eigentlich als ihre exklusive Spielwiese, wo sie die verfeindeten Mächte je nach ihren Interessen gegeneinander ausspielen können. Eines der zentralen Ziele ist dabei die Eindämmung des iranischen Mullah-Regimes, welches man um jeden Preis daran hindern will, Atomwaffen zu entwickeln.
China kann hingegen ohne den historischen Ballast agieren, den die USA und andere westliche Mächte in der Region über Generationen angehäuft haben.
„Wertebasierte Außenpolitik” in der Defensive
Das Abkommen ist erfreulich, aber auch eine schallende Ohrfeige für die USA: Beobachter gehen davon aus, dass Saudi-Arabien damit auch Druck auf Washington ausüben will, um die US-Regierung zu Sicherheitsgarantien und Hilfe bei der Entwicklung seines zivilen Atomprogramms zu zwingen. Diese befürchtet dann jedoch offenbar ein Wettrüsten zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Egal, wie die weitere Entwicklung aussehen wird, die angeblich „wertebasierte Außenpolitik“ des Westens gerät immer mehr in die Defensive.
Mehr noch als die USA lebt das immer machtlosere Europa in dem Wahn, die Welt nach seinen Vorstellungen umgestalten zu können. Wie immer steht Deutschland an der Spitze dieses Irrsinns.
Überheblichkeit macht blind
Ob mit der bereits erwähnten „feministischen Außenpolitik“ von Annalena Baerbock, der „Afrika-Strategie“ von Entwicklungsministerin Svenja Schulze oder den Unsummen, die Wirtschaftsminister Robert Habeck Brasilien immer wieder zur Regenwaldrettung hinterherwirft, obwohl die Abholzung auch unter dem linken Säulenheiligen Lula da Silva gerade erst wieder einen neuen Höchststand erreicht hat: Europa und die USA maßen sich an, ganze Kontinente nach ihren Wünschen gestalten zu können, zu müssen und zu dürfen und sich in deren Kultur einzumischen.
In seiner Überheblichkeit verkennt der Westen dabei, dass die sogenannten Schurkenstaaten keineswegs isoliert sind. Der Rest der Welt beherzigt lediglich die eigentlich altbekannte Wahrheit, dass Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen haben, während der Westen sich einbildet, alle anderen seien auf dem Holzweg. Wenn die Sanktionen gegen Russland ihr Ziel erreicht hätten, wäre Wladimir Putin längst gestürzt; stattdessen sitzt er fester denn je im Sattel, und daran wird auch der jüngste Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs gegen den russischen Potentaten nichts ändern.
Moralisierende Außenpolitik zum Scheitern verdammt
Die ständigen Sanktionen, die der Westen verhängt, führen umgekehrt sogar zu regelrechten Verbrüderungseffekten, wie sich gerade erst in dem Abkommen zwischen Weißrussland und dem Iran zeigte. Parallel dazu bilden sich komplette antiwestliche Großorganisationen wie BRICS oder die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Von Afghanistan über den Irak bis Libyen haben sämtliche Interventionen des Westens in einem einzigen Chaos geendet.
Die pseudohumanitäre Außenpolitik des Westens ist nicht nur heuchlerisch, sondern auch ein völliges Debakel. Die Moralisierung der Außenpolitik wird außerhalb Deutschlands und Europas zurecht als realitätsfremdes Konstrukt angesehen. Sie ist zum Scheitern verurteilt. Wenn der Westen nicht endlich wieder zur Realpolitik zurückkehrt, wird er immer mehr zum globalen Hassobjekt und jeglichen Einfluss einbüßen.