Medizin-Examen bestanden: Macht ChatGPT Menschen bald überflüssig?

Von Daniel Matissek
12. Februar 2023
Lesezeit: 3 Min.

Seit Wochen sorgen Berichte über die bahnbrechende neue Künstliche-Intelligenz-Software ChatGPT für Furore und Unruhe. Die Anwendung, die hochsinnvolle Textbeiträge aller Art erstellen kann und mit exponentieller Geschwindigkeit lernt, könnte zahllose Berufsbilder von Journalisten bis Rechtsanwälte überflüssig machen. Nun hat sie einen weiteren Beweis ihrer beängstigenden Fähigkeiten geliefert – und erweist sich möglicherweise als Meilenstein auf dem Weg zum Transhumanismus.

Denn die globalistische Horrorvision eines vollends durch KI und „smarte“ Anwendungen überflüssig gemachten Menschen, der technokratischen Eliten dient (und nicht mehr umgekehrt), rückt durch diese unaufhaltsame Entwicklung in immer greifbarere Nähe. Das Erreichen der sogenannten technologischen Singularität, an dem eine künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickelt, selbstständig zu denken, sich weiterzuentwickeln und autonom zu entscheiden beginnt – mit allen damit einhergehenden Gefahren –, wird durch solche Softwareentwicklungen stetig wahrscheinlicher.

Für den Anfang verblüffende Resultate

Bei drei Teilen der Theorieprüfung für die Zulassung zum United States Medical Licensing Exam (USMLE) konnte eine von ChatGPT erstellte medizinische Prüfungsarbeit mehrfach die erforderliche Mindestpunktzahl erreichen. Dabei handelt es sich um eine Standardprüfung, deren Ablegung die Voraussetzung ist, damit Medizinstudenten in den USA ärztlich tätig sein dürfen. Für ChatGPT wurden jedoch einige Fragen außen vor gelassen, weil die Software derzeit noch lediglich Texteingaben entgegennehmen kann.

Auf Fragen, die einen Bildanteil enthielten, musste daher verzichtet werden. Man beschränkte sich auf die Beantwortung von 350 öffentlich zugänglichen Fragen, die im Sommer 2022 in der USMLE-Prüfung vorkamen. Die Teilnahme erfolgte im Rahmen einer Studie des kalifornischen Start-up-Unternehmens AnsibleHealth. Letztlich lautete das Ergebnis, dass ChatGPT bei den drei Prüfungsteilen 52,4 bis 75 Prozent der möglichen Punkte erreichte, nachdem nicht eindeutige Antworten entfernt wurden. Zum Bestehen der Prüfung sind etwa 60 Prozent erforderlich.

Kinderkrankheiten gehören bald der Vergangenheit an

Unter Einbeziehung der nicht eindeutigen Antworten wäre Chat GPT auf 36,1 bis 61,5 Prozent der dann möglichen Punkte gekommen. Laut den Forschern wurde die Leistung des allein auf biomedizinische Fachliteratur beschränkten Gegenmodells PubMedGPT übertroffen. Ihr Fazit lautet: „Das Erreichen der Mindestpunktzahl für diese notorisch schwierige Expertenprüfung, und das ganz ohne menschliche Unterstützung, ist ein bemerkenswerter Meilenstein in der Entwicklung der klinischen KI.“

Es ist wie mit den sonstigen bisherigen Praxisanwendungen der Software: Noch weist diese „Kinderkrankheiten” und etliche Schwächen auf, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese abgestellt und überwunden sein werden – und das, was die KI schon jetzt ausspuckt, ist schon eine erhebliche Entlastung und bedarf nur noch entsprechender Korrekturen oder Ergänzungen, was vom menschlichen Operator weitaus weniger Zeit erfordert als den betreffenden Content selbst zu erstellen.

Mensch bald schöpferisch eingeholt

Die Fähigkeiten der KI-Software zeigten sich hier aber nicht zum ersten Mal: An der Universität von Minnesota bestand sie bereits ebenso die Jura-Prüfungen wie an der Wharton School of Business der Universität von Pennsylvania. Ein Professor in Minnesota erklärte, es sei ihm nicht möglich gewesen, die Antworten des Roboters von denen der Studenten zu unterscheiden. Die Gesamtnote von ChatGPT sei zwar eine drei plus gewesen; in Teilen der Prüfung habe sie aber herausragende Ergebnisse erzielt. Dafür, dass die Software gewissermaßen noch in ihrer Frühphase steckt, ist dies so beeindruckend wie beängstigend zugleich.

Bei einem Managementkurs an der Wharton School kam die KI sogar auf Anhieb auf die Note 2. Wenn man bedenkt, dass ChatGPT erst Ende letzten Jahres auf den Markt kam und bereits fieberhaft an Weiterentwicklungen und Konkurrenzprodukten gearbeitet wird, kann man ungefähr erahnen, wie bald diese Technik den Menschen schöpferisch einholen wird. Fachlich und vom Zugriff auf verfügbare Informationen her – die Software durchforstet in Millisekunden hunderte Milliarden an webbasierten Datensätzen – übertrifft sie ihn schon jetzt.

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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